Eine Lektion über die Frage, wie sich der „digital Turn“ (digitale Wende) auf das Verfahren der Quellenkritik ausgewirkt hat und was dies für Studierende der Geisteswissenschaften mit Forschungstätigkeit bedeutet.
Eine Lektion über die Frage, wie sich der „digital Turn“ (digitale Wende) auf das Verfahren der Quellenkritik ausgewirkt hat und was dies für Studierende der Geisteswissenschaften mit Forschungstätigkeit bedeutet.
In dieser Lektion sollen Studierende lernen, wie sich der „digital Turn“ auf das Verfahren zur Anwendung der Quellenkritik auf eine historische Quelle ausgewirkt hat. Quellenkritik beinhaltet Fragen zu Herkunft, Echtheit und dem informativen und artefaktischen Gehalt einer Quelle. Bei der Anwendung auf digitale Inhalte ist eine zusätzliche Ebene von Änderungen und Transformationen zu identifizieren und zu beschreiben. Eine kurze Animation erklärt zunächst, wie sich der Beruf des Historikers durch die digitale Wende verändert hat, und erinnert an die ausschlaggebende Rolle des deutschen Historikers Leopold von Ranke. Anschließend bietet eine Reihe von sieben Übungen die Möglichkeit, sich mit verschiedenen Arten von historischen Daten zu beschäftigen, um noch tiefer in die Veränderungen einzutauchen, die sich durch den Übergang vom analogen zum digitalen Format ergeben haben.
Eadweard Muybridge schuf die Grundlage für die Entwicklung der Kinematografie, indem er mit mehreren Kameras Fotos eines galoppierenden Pferdes aufnahm und diese mit einem Zoopraxiskop wiedergab. Seine Erfindung inspirierte viele Künstler, Fotografen und Gelehrte, doch die Wirkung und Verbreitung seines Erbes vergrößerte sich durch die Einführung der digitalen Technologie und des Web Ende der 1990er-Jahre. In dieser Aufgabe wird untersucht, welche Beziehung zwischen den Original-Glasplatten von Muybridge besteht und was davon herausgelöst, betrachtet/gelesen und im Web wiederverwendet werden kann. Das San Francisco Museum of Modern Art hat zu diesem Thema eine Animation geschaffen. Letztere enthält einen kurzen Überblick über Eadweard Muybridge und seine Leistungen.
Das Auffinden von Inhalten zu Eadweard Muybridge im Web hängt teilweise davon ab, was von Suchmaschinen indexiert wird. Welche Suchmaschine Sie verwenden, richtet sich weitestgehend danach, wie Sie die Nutzung des Web erlernt haben. Diese Aufgabe vermittelt Ihnen eine Vorstellung der potenziellen Vielfalt und Reihenfolge der Suchergebnisse. Sie vergleichen die Ergebnisse einer Suche nach Muybridge mit zwei verschiedenen Suchmaschinen: Google und Yahoo.
Diese Aufgabe beruht auf dem Thema einer parallelen Lektion: „From steel wire to website; the interviews of David Boder“. Dargelegt ist, welch bahnbrechende Arbeit der lettisch-amerikanische Psychologe David Boder jüdischer Abstammung bei der Aufnahme der ersten Berichte von Holocaust-Überlebenden geleistet hat. Im Sommer 1946 besuchte er mit einem Drahttonbandgerät mehrere Vertriebenenlager und führte 121 Interviews in acht verschiedenen Sprachen durch. Der Schwerpunkt dieser Lektion liegt auf der Umwandlung seiner 1946 auf Stahldraht aufgenommenen Interviewsammlung in Inhalte, die über eine öffentliche Website zugänglich gemacht wurden.
Das Versenden und Empfangen von Briefen ist heutzutage stark rückläufig. Während diese Praxis scheinbar durch die Korrespondenz per E-Mail verdrängt wurde, unterscheiden sich die angewandten Technologien und die beim Verfassen von Nachrichten zu beachtenden Regeln deutlich. Briefe und E-Mails politischer Amtsträger sind für die allgemeine Öffentlichkeit von besonderem Interesse, weil sie einen Blick hinter die Kulissen bieten. In dieser Aufgabe vergleichen Sie die E-Mails von Hillary Clinton (die sie offenlegen musste) mit der digitalisierten Korrespondenz der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher, die zur Würdigung ihres politischen Erbes veröffentlicht wurde. Da beide Politiker im Bereich der internationalen Beziehungen tätig waren, kann ihre Korrespondenz wesentlich dazu beitragen, die Geschichte ihrer Ära darzustellen. Wie Sie feststellen werden, waren Kontext und Möglichkeiten im Kommunikationsbereich 1980 ganz anders beschaffen als 2008.
Wenn Institutionen aufgelöst werden, übergeben sie ihre Dokumente häufig an Archive, um die Geschichte ihres Wirkens zu erhalten. Ein Beispiel hierfür ist die Westeuropäische Union (WEU), ein kollektiver militärischer Beistandspakt, der 1954 gegründet wurde, um einen Rahmen für die europäische Verteidigung unter Einbezug Deutschlands zu schaffen. Letzteres wurde als wichtige Voraussetzung zur Verhinderung eines künftigen Kriegs betrachtet. Die WEU führte eine Koexistenz mit der mächtigeren Organisation des Nordatlantikpakts (NATO) unter Federführung der USA. Demgemäß spielte sie bei internationalen militärischen Operationen nur eine untergeordnete Rolle, wie anhand ihres Beinamens „schlafende Schönheit“ zum Ausdruck kommt. Die Dokumente der WEU wurden dem Luxemburger Nationalarchiv übergeben und mit Blick auf eine Online-Veröffentlichung digitalisiert. Diese Dokumente sind Gegenstand dieser Aufgabe, die aufzeigt, wie sich eine Sammlung papiergebundener institutioneller Dokumente in Französisch in maschinenlesbare Inhalte umwandeln lässt, die Sie auf Ihrem Bildschirm einsehen können.
Zeitungen sind seit dem 19. Jahrhundert ein wichtiges Medium. Sie bieten wertvolle Informationen über Ereignisse und Meinungen in vergangenen und gegenwärtigen Gesellschaften. Die groß angelegte Digitalisierung von Zeitungen, die derzeit in zahlreichen (nationalen) Bibliotheken erfolgt, verspricht ein wahres Sammelsurium an Daten für die historische Forschung. Allerdings werden bei der Einrichtung des Online-Zugangs zu digitalisierten Zeitungen bestimmte Entscheidungen getroffen. Außerdem erfolgen Änderungen, die den informativen und artefaktischen Wert einer Quelle beeinflussen. Historiker sollten in der Lage sein, diese Veränderungen zu identifizieren und zu verstehen. Was zu Hause an Ihrem Bildschirm angezeigt wird, unterscheidet sich recht stark von dem, was Sie in einem Archiv in Ihren Händen halten können. Hinzu kommt, dass nationale Bibliotheken den unterschiedlichsten finanziellen, rechtlichen und technischen Sachzwängen ausgesetzt sind, die neben ihrer eigenen institutionellen Geschichte ihre Digitalisierungsstrategie festlegen. Einige Bibliotheken lagern die Verarbeitung und Auswertung von Daten über öffentlich-rechtliche Partnerschaften mit Unternehmen aus. Diese Aufgabe deckt zwei Ansätze ab: 1. Sie sind aufgefordert, die getroffenen Entscheidungen und die für die Digitalisierung und Online-Veröffentlichung verschiedener Zeitungen genutzten Technologien zu bewerten; 2. Sie analysieren die Vielfalt der Berichterstattung und beleuchten die Möglichkeiten des Online-Zugangs zu Zeitungen, indem Sie eine Vergleichsstudie durchführen.
Gegenstand dieser Aufgabe ist der Bildatlas des berühmten deutschen Fotografen August Sander (1876-1964) – „Menschen des 20. Jahrhunderts“. Sanders Ziel war, die gesamte Gesellschaft seiner Zeit so darzustellen, wie er sie selbst wahrnahm. Seine Überzeugung war, dass seine Kamera universelle Erkenntnisse zu gesellschaftlichen Merkmalen zutage fördert. Durch das Web wurden viele seiner Aufnahmen in den letzten Jahrzehnten einem allgemeinen Publikum zugänglich. Doch wenn dieses digitalisierte und veröffentlichte Material als Quelle für Erkenntnisse über seine Arbeit herangezogen wird, ist die Quellenkritik anzuwenden und der Ursprung dessen abzuklären, was sich auf einem beliebigen Computerbildschirm anzeigen lässt. Was kann als Sanders Originalwerk betrachtet werden? Seine Glasplatten? Abzüge seiner Glasplatten? Die gedruckten Bücher seiner Werke, die ihn lange nach seinem Tod berühmt machten, oder die digitalen, im Web abrufbaren Fassungen von Sanders Porträts? Folgende Perspektiven werden berücksichtigt: Zunächst befassen Sie sich mit der Frage, warum die digitalen Fassungen von Sanders Fotos online veröffentlicht wurden und wie diese über Suchmaschinen auffindbar sind. Im zweiten Teil der Aufgabe gehen Sie zum Ursprung der Quelle zurück, d.h. den von ihm damals gemachten Aufnahmen, seinen Motiven und den Bewertungen seiner Werke durch die ersten Herausgeber und Kuratoren.
Die Idee für Sanders Projekt „Menschen des 20. Jahrhunderts“ geht auf das Jahr 1925 und damit auf das Zeitalter der Weimarer Republik (1919-1933) zurück. Auch wenn Sander zu Lebzeiten Auszüge aus seinen Werken veröffentlichte und kleinere Ausstellungen kuratierte, blieb es ihm bedauerlicherweise versagt, die ursprünglich für 45 Portfolios ausgelegte Sammlung abzuschließen. Bei seinem Tod 1964 hinterließ er seinem Sohn Günther Sander rund 2 000 Negative, die Letzterer 1971 teilweise in dem Fotoband Menschen ohne Maske veröffentlichte. Eine weitere Auflage wurde 2001 von der August Sander Stiftung, SK Stiftung Kultur, in Köln herausgegeben. Im Jahr 2010 stellte die Stiftung eine Sander gewidmete Website online. Gleichwohl lag die Verbreitung seiner Werke nicht vollständig in deren Händen.
Im Jahr 2003 wurde eine frühere Fassung der Website der Stiftung vom Internet-Archiv abgespeichert. Anlässlich der Ausstellung „Fragile Democracy: new international photography“ erschien um das Jahr 2008 eine der ersten Online-Fotografien von August Sander auf der Website der Northern Gallery for Contemporary Art in Sunderland (GB). Im gleichen Jahr wurde das Internet-Kunstforum Luminous-Lint ins Leben gerufen, auf dessen Website Aufnahmen von August Sander zu sehen sind. Der erste YouTube-Clip erschien 2010 – zeitgleich mit der der Einführung des Suchtools Pinterest und der Google-Bild-Such-Algorithmen, die sich als äußerst erfolgreich erwiesen. All diese Entwicklungen wirkten sich auf die Verbreitung und Neuauslegung der Werke Sanders aus.